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Post von Ingrid Noll aus Luxemburg

In unserer neuen Rubrik »Post von …« erzählt die Grande Dame des deutschen Krimis von einer erlebnisreichen Lesereise ins Nachbarland Luxemburg. Dort stellte sie Mitte November ihren aktuellen Roman Hab und Gier vor. Wie Ingrid Noll auf Seine Königliche Hoheit Henri, den Großherzog von Luxemburg, traf und auf überraschend viele Fans, aber auch wie ihr fast das letzte delikate Häppchen vor der Nase weggeschnappt wurde, ist in ihrem kurzweiligen Reisebericht nachzulesen.

Foto: bei RTL mit meinem Kollegen Marc Graas

»Kürzlich war ich zum ersten Mal in Luxemburg auf der Buchmesse. Auf Luxemburgisch heißt es Letzebuerg, wobei das erste e zwei Pünktchen hat. Hier spricht man also moselfränkisch, eine Sprache, die man als Deutsche wohl relativ schnell erlernen könnte. Radio, Fernsehen, Schule, Zeitungen, Diskussionen und Podiumsgespräche sind in der Regel auf luxemburgisch. Das Wort kommt vom mittelhochdeutschen lützel = klein, also kleine Burg.

Leider war die Hinreise ein Problem, weil der Zug in Saarbrücken verspätet ankam und der Bus nicht gewartet hatte, der nächste sollte erst in zwei Stunden fahren, und ich hatte sofort nach Ankunft einen Fernsehtermin. Im Zug hatte ich Probleme mit dem Telefonieren und konnte meinen Abholer anfangs nicht erreichen. Zum Glück wusste eine Luxemburgerin (und nicht etwa der Schaffner), dass man von Saarbrücken einen Zug nach Merzig und von dort wiederum einen Bus nach Luxemburg nehmen konnte, wodurch man immerhin eine halbe Stunde sparte. Das habe ich also gemacht, wurde vom Journalisten Rob Kieffer und einem Kameramann abgeholt und sofort zu RTL gebracht. Dort konnte man aus Zeitmangel keine Aufzeichnung machen, sondern nur noch eine Live-Sendung aus dem Stand heraus. Ich wäre lieber erst mal ins Hotel gegangen, aber Walfer – wo die Buchmesse stattfindet und auch das Hotel ist – liegt etwa 20 km weiter nördlich. Beim rasanten Tempo unserer Termine kam ich zum Glück nicht auf die Idee, müde zu werden.

Aber um erst mal das Beste zu sagen: Die Luxemburger waren herzlich, hilfsbereit, liebenswürdig und sparten nicht mit Komplimenten, so dass ich mich einfach wohlfühlen musste. Das größte Lob gebührt Rob Kieffer, der mich ständig hin- und herchauffierte und rührend für mich sorgte. Überall bekam ich zu hören: ›Wussten Sie denn nicht, wie sehr die Luxemburger Ihre Bücher lieben?‹ Das merkte man auch an der Autogrammstunde, die fast kein Ende nahm. Manche Frauen hatten eine ganze Kollektion ihrer Bücher mitgeschleppt. Oft heißen sie Lis und Luc, das kann man zum Glück schnell schreiben… Andererseits gab es auch viele französische Vornamen, ähnlich wie in der Schweiz. Auch die Sprache ist durchsetzt mit französischen Vokabeln. ›La table ronde‹ wurde sehr gut besucht, meine Kollegen erwiesen sich als sympathische Menschen mit interessanten Berufen. Der erste Tag war also mit Programmen randvoll belegt. Ich war froh, endlich die Beine hochlegen zu können. 

Am anderen Tag wieder RTL, diesmal eine lange Radiosendung. Rob Kieffer zeigte mir auf der Hinfahrt im Schnellverfahren die Stadt, die sehr schön und hügelig am Flüsschen Alzette liegt. Die Altstadt ist völlig getrennt von den Neubauten und den riesigen Gebäuden der Europäischen Union; sie stehen etwas außerhalb auf früherem Ackerland. – Mittagessen gab es beim Edelitaliener mit Bürgermeister und Rob.

Es folgte das wichtige Event mit Son Altesse Royale le Grand-Duc Henri. In den Festsaal durften nur geladene Gäste. Als Ehrengast saß ich in der ersten Reihe neben Ministern und hochgestellten Persönlichkeiten. Plötzlich kamen Bodyguards herein und postierten sich auffällig an allen Ecken. Dann eilten die Minister hinaus, um Seine Hoheit zu empfangen. Alle im Saal standen auf, denn man darf nie sitzen bleiben, wenn der Großherzog noch steht. Musiker intonierten Wilhelmus, ein Stück, das immer für le Grand-Duc gespielt wird. Dann begrüßte er alle Ehrengäste persönlich, reichte auch mir die Hand und sagte freundlich, dass er sich freue, mich in Letzebuerg zu begrüßen. Man spricht ihn mit ›Monseigneur‹ an. Der Großherzog ist sehr beliebt beim Volk, er soll zwar schwerreich, aber gar nicht protzig sein. Politisch ist er eher für repräsentative Rollen vorgesehen.

Nun, dann folgte Rede auf Rede auf Luxemburgisch, die ich größtenteils und einigermaßen verstand. Ziemlich am Schluss schlossen sich ein Moderatoren-Gespräch mit mir und eine Lesung an, die simultan ins Französische übersetzt wurde. Ich bekam viel Beifall. Als das Programm zu Ende war, verließ le Grand-Duc Henri den Saal, und alles sprang natürlich wieder auf. Der Rattenschwanz, der ihn begrüßt hatte, begleitete ihn auch nach draußen.

Schließlich sah ich, dass köstliche Häppchen (z.B. Hummer) herumgetragen wurden und Champagner ausgeschenkt wurde. Doch bevor ich zulangen konnte, nahte das ambulante Fernsehen und noch andere sowie die jungen Reporter der Schülerzeitung, die Fotografen und so weiter. Ich konnte leider nur ein einziges Häppchen ergattern, denn mit vollem Mund gibt man keine Interviews – der Anstand siegte über meinen Appetit. Aber natürlich hat man mich nicht verhungern lassen!

Foto: © stu_spivack [CC BY-SA 2.0], via Flickr.com

Anschließend konnte ich mir auch die eigentliche Buchmesse ansehen, zwei große Zelte. Dort sah es ganz anders aus als in Frankfurt oder Leipzig, denn viele Stände boten auch alte, gebrauchte oder gar wertvolle antike Bücher zum Verkauf an. Ich staunte, wie viele luxemburgische Verlage es gibt! Die eigene Sprache gehört zur Identität, sie wird seit dem 2. Weltkrieg sehr bewusst gepflegt. Ganz Luxemburg hat etwa eine halbe Million Einwohner, es ist geradezu sensationell und bewundernswert, wie viel geschrieben wird!

Zuletzt konnte ich nicht mehr herumstehen und mich mit so vielen interessanten Leuten (auch vielen Politikern) unterhalten, lehnte die Einladung zum Abendessen dankend ab und legte mich im Hotel aufs Bett, wo ich schon um 21 Uhr bei laufendem Fernseher einschlief.

Foto: © Benh LIEU SONG (Own work) [CC BY-SA 3.0 or GFDL], via Wikimedia Commons

Am Samstag brachte mich der treue Rob zum Busbahnhof, wo es Probleme gab: Es waren zu viele Fahrkarten verkauft worden, so dass nicht alle Wartenden (die reserviert hatten) mitfahren konnten und es eine kleine Revolte gab. Wieder 15 Minuten Verspätung, aber ich bekam noch meinen Anschluss in Saarbrücken.

Luxemburg ist zwar ein reiches Land, doch die Mieten sind teuer, weil immer mehr Menschen zuziehen. Es gibt viele Pendler, die in Deutschland oder Frankreich billig auf dem Lande leben, morgens in die Stadt fahren und abends wieder nach Hause. Also zweimal am Tag ein Stau. Man verdient mehr als in den Nachbarländern, weshalb viele Arbeiten von Ausländern verrichtet werden. 

Eigentlich ist es schade, dass ich nicht schon früher einmal als Touristin nach Luxemburg kam, denn es lohnt sich auf jeden Fall, und ich werde es bestimmt noch nachholen.

Und jetzt sagt die weitgereiste Ingrid Noll auf Luxemburgisch äddi (= tschüs, kommt von adieu oder ade)!«

Von Ingrid Noll im Diogenes Verlag zuletzt erschienen ist der Roman Hab und Gier. Erhältlich auch als E-Book und als Hörbuch, eingelesen von Ute Hallant.

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