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So schreibt Simone Lappert einen Liebesbrief
#Valentinstag

Passend zum Valentinstag verrät uns Simone Lappert, wie sie einen Liebesbrief schreibt. Mit ein bisschen Mut, ein paar Minuten Zeit und dieser Anleitung ist das gar nicht so schwierig. Wollt ihr der Person, die euch rundum glücklich macht oder der, die euren Alltag auf ganz besondere Art bereichert, eine Freude bereiten? Dann schnappt euch einen Stift und legt los. Vielleicht freut sich auch die beste Freundin oder der tolle Kollege über einen Liebesbrief. 

Du brauchst:

– Stift & Papier

– Eine Adresse oder die Möglichkeit, den Brief persönlich zu übergeben

– Mut

– Falls die Person noch nichts von deinen Gefühlen weiss: Noch ein bisschen mehr Mut

In ein paar Schritten zum Liebesbrief:

»Zu Beginn empfiehlt sich die ganz klassische Anrede: »Liebe*r Soundso«. Für Kreativität bleibt noch das ganze Blatt. »Hey« oder »Ciao Bella« sind eher Anzeichen dafür, dass du Angst vor deiner eigenen Geste hast und deswegen auf cool machst.

Es sei denn, du kannst mit einem Insider aufwarten, etwa einem bereits etablierten Spitznamen. Jean-Paul Sartre etwa nannte Simone de Beauvoir in seinen Briefen immer wieder »Castor« (Biber).

Schreib ruhig, warum du diesen Brief schreibst, dass du nicht mehr schlafen/ essen/ denken/ geradeaus gehen kannst, seit du auf ihrem Gepäckträger durch die Nacht gebraust bist, mit ihr am Streiktag in einem Bahnabteil festgesessen und einen Mini-Panettone geteilt hast, er dir den letzten Orangen-Joghurt aus der Kühltheke weggeschnappt hat, du mit ihm achtzehn Straßenbahnen hast vorbeiziehen lassen, sie dir ihren Regenschirm geliehen und dich geküsst hat, kurz nach drei am Mittwochnachmittag, vor der Autowaschanlage am Ortsausgang. Schreib das ruhig alles, schreib, warum du nicht anders kannst, als diesen Brief zu schreiben, aber flüchte dich nicht in ausgeleierte Klischees. »Ich kann ohne dich nicht leben« mag sich gut anhören in einem Song, im echten Leben können solche Aussagen allerdings ganz schön beängstigend wirken. Die geliebte Person sollte in jedem Fall nicht das Gefühl haben, für dein Überleben verantwortlich zu sein. Versuch überhaupt, nicht zu sehr und zu viel über dich zu schreiben, sondern über sie, über ihn, darüber, wie du sie wahrnimmst, ihn erlebst, eben genau sie, eben nur ihn. Vielleicht, dass du magst, wie sorgfältig er seine Marmeladenbrote streicht. Wie egal es ihr zu sein scheint, im Regen nass zu werden. Wie er an den unmöglichsten Stellen im Kino lacht und wie charmant du das findest. Wie mutig sie ihre Meinung sagt und wie sehr dich das inspiriert. Meine die Person wirklich. Zeig ihr, dass du sie siehst. Versuch vielleicht auch ein paar Bilder zu finden für das, was ihr sein könntet zusammen. Dass du im Herbst durchs erste Laub rascheln willst mit ihm, oder durch die Strassen von Tokio streifen, beschreib die Veranda mit den Schaukelstühlen, die du dir vorstellst oder gemeinsame Abende vor dem Plattenspieler, im Fussballstadion, auf dem Trödelmarkt. Versuch ihr zu zeigen, dass du sie kennenlernen willst, mit all ihren dunklen Ecken und ihren leuchtendsten Fantasien. Und dass, wenn Langeweile und Streit tatsächlich unausweichlich sind, du dich mit niemandem lieber streiten und langweilen möchtest, als mit ihr.

Unterschreib mit einer Umarmung, deinem Namen, in Liebe, mit etwas, das sich echt anfühlt.«

Zum ersten Mal erschienen im Magazin Chiemgaudi, Ausgabe 2/2021.

Simone Lappert, geboren 1985 in Aarau, studierte am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel. Mit ihrem Debütroman Wurfschatten stand sie auf der Shortlist des ZDF-aspekte-Preises, ihr Roman Der Sprung war für den Schweizer Buchpreis nominiert. Für ihre Lyrik wurde sie mit dem Heinz-Weder-Preis und einem Werkbeitrag des Fachausschusses Literatur Basel ausgezeichnet. Sie ist Präsidentin des Internationalen Lyrikfestivals Basel und war Schweizer Kuratorin für das Lyrikprojekt ›Babelsprech.International‹. Sie lebt in Zürich.

Am 23.2.2022 erscheint ihr Lyrikband längst fällig verwilderung.

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Foto: Ayse Yavas / © Diogenes Verlag
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