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Eine zauberhafte Mehrgenerationen-WG.
Eine kriminelle Komödie, launig und pikant.

Ingrid Noll über das titelgebende Lied ihres neuen Romans Kein Feuer kann brennen so heiß, über die wichtigsten Eigenschaften im Umgang mit zu pflegenden Menschen, über Humor und über die Materialermüdung im Alter.

Foto: Renate Barth / © Diogenes Verlag

Kein Feuer kann brennen so heiß – woher kommt dieser Titel, und inwiefern bezieht er sich auf den Inhalt des Romans?
Nicht jeder wird das alte Volkslied kennen: »Kein Feuer, keine Kohle kann brennen so heiß, als heimliche Liebe, von der niemand nichts weiß«. In vergangenen Jahrhunderten kamen solche heimlichen Lieben, die nicht zur Ehe führen konnten, sicher recht häufig vor. Aber auch heute gibt es noch gute Gründe, warum eine Affäre lieber nicht bekannt werden sollte.

Lorina hat von ihren Eltern den Spitznamen »Plumplori« erhalten. Was ist das? Und wie sind Sie darauf gekommen?
Plumploris sind nachtaktive Baumbewohner aus Südostasien. Schon als Kind erfuhr ich von der Existenz dieser Primaten mit den großen Kulleraugen. Eigentlich sind Plumploris ja ganz niedlich, aber – wie der Name schon sagt – nicht gerade mit Grazie gesegnet.

Wenn Sie eine Figur mit so vielen negativen Zügen ausstatten – tollpatschig, plump, Minderwertigkeitsgefühle, erotisch unausgelastet –, lieben Sie sie dann trotzdem?
Lorina ist leider seit ihrer Kindheit von den eigenen Schwächen so überzeugt, dass sie eine stark getrübte Eigenwahrnehmung entwickelt hat. Dabei ist sie keineswegs unbeliebt bei den Menschen, die sie näher kennenlernen. Ja, irgendwie mag ich sie schon …

Trotz ihrer Ungeschicklichkeit ist Lorina sehr patent und pragmatisch, vor allem in ihrem Gefühlsleben. Man hat den Eindruck, dass ihr die Seitensprünge und Nichtbeachtung durch ihre Männer immer nur vorübergehend weh tun – eine beneidenswerte Eigenschaft, da sie Liebeskummer verkürzt. Auf der anderen Seite plagen sie auch nicht allzu große Gewissensbisse.
Lorina hat gelernt, Verletzungen wegzustecken, außerdem ist sie mit einer ausgeprägten Resilienz ausgestattet.

Bild von Lena Lindell auf Pixabay

Ihre Mutter wurde 106, Ihre Oma 105 Jahre alt – Sie selbst haben eigene Erfahrung mit der Pflege von Verwandten. Unter welchen Voraussetzungen kann man diese leisten, was ist das Wichtigste dabei?
Wichtig ist Geduld, die man sich antrainieren kann. Sympathie und Empathie sind Voraussetzung.

Sie entwerfen eigentlich eine Art Alternativ-WG zu einem Altersheim, eine Mehrgenerationen-Wohngemeinschaft mit Baby, junger Familie und Hund. In der es oft gemütlich, lustig und heiter zugeht, gemeinsame Spaziergänge, Kaffeetrinken etc. Ist das für Sie ein Zukunftsmodell?
Schön wäre es schon. Aber es wird natürlich überall, wo Menschen eng zusammenwohnen, zu Konflikten kommen. In anderen Kulturen leben die Generationen viel dichter beisammen als hier bei uns und haben wohl gelernt, damit umzugehen.

Ihre Romane zeichnen sich vor allem durch Ihre Charakterstudien, den Wortwitz und die lustigen Einfälle aus – wann fällt Ihnen das alles ein, wer ist Ihre Inspiration, und müssen Sie selbst lachen beim Schreiben?
Ideen habe ich oft, wenn ich sie nicht erzwinge, zum Beispiel bei manuellen Tätigkeiten, bei denen der Kopf frei bleibt. Laut lachen muss ich selten, aber grinsen ziemlich oft. In mancher Beziehung ist mein höheres Alter auch eine Quelle der Inspiration: Lebenserfahrung, Menschenkenntnis und größere Gelassenheit bei Konflikten nehmen ja mit den Jahren bekanntlich zu.

Der zweite Masseur, Ruben, zeichnet sich durch eine gewisse Ängstlichkeit und eine Reihe von Phobien aus. Haben Sie auch eine oder mehrere Phobien, oder konnten Sie einige erfolgreich bekämpfen?
Zum Glück habe ich keine nennenswerten Phobien, kann auch eklige Tiere anfassen und kriege keine Panik in engen Räumen. Aber ein paar Marotten gönne ich mir durchaus.

Des Weiteren hat Ruben eine besondere Gabe – er liest etwas und kann es sich sofort merken, so dass er den Damen mit rezitierten Gedichten, Liedern und Balladen Unterhaltung im Alltag bieten kann. Welches ist Ihr Lieblingsgedicht und warum? Oder kommen alle im Buch vor?
Ich habe schon als Kind gern Gedichte gelesen; wenn sie mir gefielen, konnte ich sie schnell auswendig. Ein Lieblingsgedicht habe ich eigentlich nicht, aber da ich wohl ein Augenmensch bin, mag ich Gottfried Kellers Abendlied ganz besonders: »Trinkt, o Augen, was die Wimper hält, von dem goldnen Überfluss der Welt«.

Singen Sie selbst gern?
Eine Zeitlang habe ich mit viel Begeisterung in einem Chor gesungen. Jetzt bin ich völlig aus der Übung und singe nur noch, wenn mich keiner hören kann.

Sie werden oft gebeten, bestimmte Personen oder Vorkommnisse in Ihr Buch einzuarbeiten. Gibt es auch diesmal eine Anekdote?
Mein Enkel Ruben erlaubte mir, seinen Vornamen in einem Roman unterzubringen. »Und was für ein Mensch soll dieser Ruben sein?«, fragte ich. »Ein Bösewicht? Ein glorreicher Held?« – »Nein«, sagte mein Enkel. »Aber er soll ein bisschen spinnen …« Natürlich habe ich seinen Wunsch mit Vergnügen erfüllt.

Sie wurden vom Polizeipräsidium Mannheim als Ehrenkriminalhauptkommissarin ausgezeichnet. Ermitteln Sie nun auch in der Realität, oder begegnen Sie Verbrechen weiterhin nur beim Schreiben?
Leider hat mir dieser Titel keine lebenslange Rente beschert, auch keine Handschellen für den persönlichen Gebrauch. Ich habe mich aber über die Ehre sehr gefreut, denn eigentlich verdiene ich sie gar nicht. Die Polizei spielt in meinen Romanen ja kaum eine Rolle.

Vergangenen September wurden Sie 85 Jahre alt – was ist das Gute am Alter und was der Nachteil? Worauf freuen Sie sich? Sich zur Ruhe zu setzen scheint ja zum Glück keine Option.
Der Nachteil ist zweifellos die Materialermüdung. Ich komme mir vor wie eine alte Waschmaschine, deren Schleudergang ausfällt. Der Vorteil ist, dass die Hetze des Alltags mehr und mehr nachlässt, die Gelassenheit zunimmt und mir das Glück der kleinen kostenlosen Freuden viel bewusster wird.

(Die Fragen stellte Kerstin Beaujean)

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