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Schöne, schwierige Schritte in die Eigenständigkeit

Krachende Türen, wutentbrannte Gesichter, Streit über unaufgeräumte Zimmer, Ausgehzeiten oder unerledigte Hausaufgaben – wer kennt diese Momente nicht? Von der eigenen Zeit als Teenager oder vom Zusammenleben mit einem. Die Pubertät ist ein Lebensabschnitt, der Jugendliche wie Eltern gleichermaßen fordert. Während die Heranwachsenden ihren eigenen Platz in der Welt suchen, ist die Abnabelung für die Erwachsenen manchmal schwer auszuhalten. Gleich mehrere Diogenes Neuerscheinungen setzen sich mit dem Thema auseinander.

Vom Überleben mit einem Teenager

Teenager sein ist spannend, aber auch anstrengend. Literarisch bereits von J.D. Salinger eindringlich beschrieben, als er seinen jugendlichen Antihelden Holden Caulfield drei Tage durch das New York der 50er Jahre irren ließ. Wie sehr in dieser Phase auch die Eltern an ihre Grenzen kommen, beschreibt präzise und höchst amüsant Michele Serra. Der 1954 in Rom geborene Publizist ist landesweit für seine Kolumnen in verschiedenen italienischen Tages- und Wochenzeitungen bekannt.In seinem Buch Die Liegenden spricht ein verwunderter Vater zu seinem 18-jährigen Sohn. Dieser lebt fast nur noch in der Horizontalen, nämlich auf dem Sofa. Ausgestattet mit Handy, Laptop und Kopfhörern ist er dort online verbunden mit aller Welt, nicht aber mit seinem Papa. Ein normales Gespräch zwischen den beiden ist nicht mehr möglich. Kaum zu Hause, verfällt der Sohn in seine apathische Lethargie. Der Spur aus müffelnden Socken und feuchten Handtüchern durch die gemeinsame Wohnung folgend, schaut sein Vater über den Abgrund zwischen den Generationen und fragt sich: Wer bin ich? Und wer ist der Alien dort drüben?

Serras Buch, das sich in Italien über 350‘000 Mal verkaufte und das in sieben Sprachen erscheint, trifft einen Nerv. Viele kennen die Befremdung, die der Vater beim Anblick seines Sohnes empfindet, und die Konflikte, die er mit ihm austrägt. Wie Eltern angesichts ihres pubertierenden Kindes in einen Clinch mit ihrer eigenen Rolle geraten, plötzlich nicht mehr zu ihrem eigenen Nachwuchs durchdringen oder gar zu Gegenspielern werden, ist hier in treffende Worte und Bilder gefasst. Die Liegenden zeigt aber auch, dass man dieser Entwicklung nicht hilflos gegenüberstehen muss und die Kluft überwunden werden kann. Michele Serra lebt mit seiner Frau, einer Tochter und drei Söhnen (!) in Mailand – ein Mann, der weiß, wovon er spricht.

»Ein super Buch. Selten hat ein Autor die Hilf- und Ratlosigkeit von Teenie-Eltern treffender und komischer beschrieben« (Kester Schlenz / stern-Redaktion).

Das Glück jenseits des Regenbogens

Die andere Perspektive, nämlich die der Heranwachsenden, nimmt die 1997 geborene Solomonica de Winter in ihrem starken Debüt Die Geschichte von Blue ein. Selber nur wenige Jahre älter als ihre jugendliche Protagonistin, erzählt sie von Blue, die ihren Vater früh verloren hat und deren Mutter in einer völlig eigenen Welt lebt. Mit dem Tod ihres Vaters hat Blue aufgehört zu sprechen. Einsam und von ihrer Mutter unverstanden irrt sie durch die düstere Stadt. Wieder und wieder liest sie in ihrem Lieblingsbuch Der Zauberer von Oz und träumt sich in eine bessere Welt. Schließlich macht sie sich wie Dorothy auf, um jenseits des Regenbogens wieder eine Art Zuhause zu finden – und beseitigt auf dem Weg dorthin den Mörder ihres Vaters.

Die Geschichte von Blue
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»Mein Name ist Blue. Nicht blau wie Blaubeeren und nicht blau wie Nagellack. Sondern blau wie salzige Tränen, blau wie eine winzige Blaumeise, blau wie der Wind, das Meer, der Regenbogen. Das Dunkelblau in den aufziehenden grauen Wolken vor einem Gewitter. Mein zweiter Vorname ist Vanity. Meine Eltern haben mir diesen Namen gegeben, weil für sie Eitelkeit das Einzige war, was die Welt heutzutage noch zusammenhält. Sie fragen, wann ich beschlossen habe, diesen Mann zu töten, Doktor. Sie fragen mich, wann ich aufgehört habe zu sprechen. Ich werde Ihnen alles erklären. Ich muss ganz vorne beginnen. Hören Sie sich die Geschichte an von dem dreizehnjährigen Mädchen, das einen Mann tötet. Und eine Frau.«

Eindringlich beschreibt Solomonica de Winter Blues Suche, auf der diese nicht nur die erste Liebe kennenlernt, sondern auch die beunruhigende Allmacht der Fantasie. Mit ihrem Roman wagt sich die 16-jährige niederländische Autorin, die in der Nähe von Amsterdam und in den USA aufgewachsen ist, an ganz große Themen: Liebe, Leben und Tod. Sie erzählt mit Drive und einer völlig eigenen Poesie.

Zwei gegen zwei

Als Anna Stothard Isabel & Rocco schrieb, ging sie selber noch zur Schule. Nun erscheint ihr Debüt, das von der Kritik begeistert aufgenommen und mit Ian McEwans Zementgarten verglichen wurde, endlich auf Deutsch.

Isabel und Rocco sind Geschwister und fast gleich alt. Als Kinder waren sie wild und unbezähmbar, jetzt mit 16 und 18 sind sie zu einer undurchdringlichen Einheit geworden. In der Vertrautheit ihrer Londoner Dachkammer und im gegenseitigen blinden Verständnis finden sie Zuflucht vor der turbulenten Beziehung ihrer Eltern. Während die Mutter mit übertrieben guter Laune auf heile Welt macht, ist der Vater streitsüchtig und oft krank. Zwischen den dramatischen Höhe- und Tiefpunkten dieser Ehe stehen sich Geschwister und Eltern in einem unnachgiebigen Kampf gegenüber: »Als wir älter wurden, gab es nicht mehr uns vier, sondern nur noch wir gegen sie.«

Isabel & Rocco
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Schließlich geschieht das Undenkbare: Die Eltern verlassen das Haus auf unbestimmte Zeit, und Isabel und Rocco sind auf sich allein gestellt. Frei von den elterlichen Restriktionen zählt für die beiden Teenager nur noch, was schon immer am wichtigsten war: der jeweils andere. Sehr detailgenau zeichnet Anna Stothard dieses verstörende Porträt einer Geschwisterbeziehung, die zu weit geht.

Seltsam interessant

In der Fortsetzung des erfolgreichen Fantasy-Debüts Die Seltsamen von Stefan Bachmann, Die Wedernoch, stehen ebenfalls Jugendliche im Zentrum. Alle drei bewegen sich am Rand der Gesellschaft. Zum einen ist da Bartholomew Kettle. Als Seltsamer, halb Mensch, halb Feenwesen, wird er sowohl von den Menschen als auch von den Feen verachtet, ist er vor beiden ständig auf der Hut. Am Ende des ersten Bandes hat er versprochen, mit allen Mitteln seine jüngere Schwester Hettie zu finden. Sie wurde von den Feen entführt und irrt seither, ebenfalls ein Mischlingskind, mit dürren Zweigen statt Ohren, barfuß durch einen düsteren, verschneiten Feenforst.

Auch der Straßenjunge Pikey, dem ein Auge fehlt und der ständig friert und Hunger leidet, ist ein Außenseiter. Seit kurzem hat er zudem befremdliche Visionen, die er nicht deuten kann. Diese Visionen interessieren wiederum Bartholomew brennend.

Die Wedernoch
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Auf höchst packende Weise zeigt Bachmann, wie drei junge Menschen – nicht obwohl, sondern weil sie anders sind! – die gefährlichsten Abenteuer bestehen können und zu Helden werden. »Was an dir seltsam ist, macht dich interessant«, sagt Stefan Bachmann. Dass er selber bereits mit 16 Jahren seinen ersten Roman schrieb, der in den USA zum Bestseller wurde als er 18 war, findet er nicht speziell. »Andere junge Leute machen auch coole Dinge. Ich finde wirklich, dass Teenager oft unterschätzt werden. Da ist so viel Potenzial. Man muss nur herausfinden, wo man seine Stärken hat. Dann ist Grosses möglich«. Sich selber zu akzeptieren wie man ist, mit all seinen Eigenheiten und darin Stärken zu erkennen, dafür plädiert auch sein neuer Roman.

Mehr von Stefan Bachmann gibt es auf seinem Blog.