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Kalifornien: Sonne, Sand und Bücher

Nationalparks mit den dicksten Riesenmammutbäumen der Welt, Bergketten, Wüsten, neblige Küsten, kilometerlange Strände: Kalifornien, der Sonnenstaat der USA, ist ein vielfältiges Reiseziel. Mindestens so vielfältig sind die von uns empfohlenen Bücher für Ihr Reisegepäck.

Nachdem wir kürzlich die Ostküste der USA unter die literarische Lupe genommen haben, bewegen wir uns diesmal rund 3`100 Meilen weiter westlich: Kalifornien an der Pazifikküste gehört zu den größten Bundesstaaten in den USA.

Im »Golden State« dominieren sonnige und warme Tage, Regen fällt nur sehr selten und dann meistens in den Wintermonaten. Neben der abwechslungsreichen Landschaft warten pulsierende Metropolen wie San Francisco mit seinen hügeligen Straßen, der Glanz und Glamour Hollywoods oder das entspannte San Diego nahe der mexikanischen Grenze.

Die Stille der Wüste, das Rauschen der Wasserfälle

Ähnlich wie 1957 Jack Kerouacs Protagonist Sal Paradise in On the Road begann Benedict Wells vor einigen Jahren in New York einen Road Trip quer durch die USA. Er recherchierte für seinen Roman Fast genial, in dem der junge Protagonist Francis beschließt, seinen Vater in Kalifornien zu suchen. In langen E-Mails ließ Benedict Wells uns hier im Verlag an seinen Erlebnissen teilhaben.

Kalifornien erreichten er und seine drei Freunde über einem Abstecher ins Death Valley: »Tatsächlich gab es dort eine astreine Wüste, die wir natürlich besichtigt haben, wie wir ja überhaupt alles besichtigt haben, was es so gab, weil wir nämlich verdammte Touristen waren. So, jetzt ist es raus. Ich beichte: Wir waren Japaner!«

Das Death Valley gehört zur Mojave-Wüste und hat eine Niederschlagsmenge von maximal 150 Millimetern pro Jahr. Mit Temperaturen von durchschnittlich über 45 °C in den Monaten Juli bis August gilt es als einer der heißesten Orte der Erde.

Die Mojave-Wüste (Foto links: © Jon Sullivan, (CC BY-NC 2.0) via Flickr.com, Foto rechts: © Michael Dorausch (CC BY-SA 2.0) via Flickr.com)

Gleich für rund 40 Tage in die Mojave-Wüste ging Ende der 1980er Jahre Paulo Coelho. Seine Erfahrungen beschreibt er  im Roman Schutzengel, ein modernes spirituelles Abenteuer. Die Wüste ist dabei nicht so trocken und leer, wie sie scheint, sondern birgt die Chance für neue, außergewöhnliche Begegnungen. Auf die Spiritualität der Mojave-Wüste geht auch Tanja Dücker in ihrem Roman Der längste Tag des Jahres ein.

Benedict Wells empfindet das Death Valley eher als »Höllental«, die Gruppe fährt kurz darauf weiter zum Yosemite-Nationalpark und setzt damit auf das Kontrastprogramm:

Naturliebhaber erwarten schroffe Granitfelsen, hohe Wasserfälle und klare Bäche. Und als eine der Hauptattraktionen: die Riesenmammutbäume. Diese können nahezu 100 Meter hoch und über 2`500 Jahre alt werden.

Im Yosemite-Nationalpark (Foto: © Justin Kern, (CC BY-NC-ND 2.0) via Flickr.com)

In den Wäldern des Parks leben amerikanische Schwarzbären, Maultierhirsche, Graufüchse und Rotluchse. »Bären sahen wir leider keine«, schreibt Benedict Wells, »macht aber nichts, ich bin schließlich nicht Irving und kann auch ohne Bären ganz gut leben.«

Benedict Wells im Yosemite-Nationalpark

San Francisco

Das nächste Reiseziel ist San Francisco: Die Küstenstadt mit der berühmten Golden Gate Bridge und ihren zweiundvierzig Hügeln gilt als besonders liberal und auch heute noch als Zentrum der US-amerikanischen Gegenkultur. 1876 wurde dort Jack London geboren. Wer in der Zeit zurückreisen will, sollte seinen Roman Der Seewolf einpacken – einer der bekanntesten und fesselndsten Schauerromane.

Das San Francisco der 1920er Jahre beschreibt Dashiell Hammett in seinem hard-boiled Krimi Der Malteser Falke: Sam Spade ermittelt als verschwiegener und einzelgängerischer Privatdetektiv. Ein Klassiker des Noir-Romans.

In San Francisco spielt zudem eine Szene in Benedict Wells´ Roman Fast genial (hier lebt Alistair Haley, von dem Francis sich Aufschluss über den Verbleib seines Vaters erhofft). Der Autor selbst ist von der Stadt begeistert:

»Das Städte-Ranking musste neu aufgestellt werden, der bisherige Spitzenreiter Chicago wurde von Platz 1 gefegt. San Francisco ist wirklich genial. Eine wunderschöne, kompakte, eigentlich kleine Stadt (hat in etwa die Größe von Augsburg), mit schöner Architektur, viel Sonne, Meer und so weiter.

Am besten war es auf der Lombard-Street, auf der schon diverse Verfolgungsjagden gedreht wurden. Erwähnt sei auch der Cable Car, die Tram, die durch die Straßen fährt. Es machte einen irren Spaß, sich draußen festzuhalten und die Straßen runterzusausen.«

Foto: © Alfonso Jimenez (CC BY-SA 2.0) via Flickr.com

Der Deutsche Jerry Rosenstein, 86, den Friedrich Dönhoff in seinem aktuellem Buch Ein gutes Leben ist die beste Antwort so feinfühlig porträtiert, fand in San Francisco vor fast 66 Jahren eine neue Heimat, nachdem er Auschwitz überlebt hat. »Die Sonne Kaliforniens hat mich geheilt«, sagt er. Hier lebte er auf.

Ein Abstecher in den südlichen Teil der Bay Area lohnt sich vor allem für IT- und Hightech-Fans: Im Silicon Valley werden ständig neue Ideen geboren und Produkte entwickelt.  Hier angesiedelt sind z. B. die Romane Der Circle von Dave Eggers oder die melancholische Liebesgeschichte Gleichung mit einer Unbekannten von Gabriel Roth.

Der Highway No. 1

Folgen Sie anschließend dem legendären Highway No. 1, der von Norden nach Süden über San Francisco bis südlich von Los Angeles führt. Er ist eine beliebte Reiseroute: Über lange Strecken windet sich die Straße der Küste des Pazifischen Ozeans entlang und wartet mit spektakulären Ausblicken auf.

Foto: © Frank Schulenburg (Own work) [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons

Legen Sie einen Zwischenstopp in Santa Cruz ein, das landesweit unter dem Namen »Surf City USA« bekannt ist. Miranda July hat hier fast zwei Jahre an der Uni studiert. Die große Attraktion, der »Giant Dipper«, ist eine der ältesten Holzachterbahnen der Welt.

Foto: © baynk (Own work) [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons

Natürlich ist auch Benedict Wells nach den Tagen in San Francisco den Highway No. 1 entlang gefahren: »Irgendwann (mussten wir) weiter, die kalifornische Küste entlang, rechts von uns der Pazifische Ozean. Eine super Strecke. Wir hielten an diversen Badeorten, und einmal für eine knappe Woche in Carpinteria bei Santa Barbara (ehrlich gesagt dachten wir damals immer, wir wären direkt in Santa Barbara, wir waren aber einfach nur zu blöd, um das Schild richtig zu lesen). Die bisher schönste Zeit. Wir verbrachten den ganzen Tag am Strand.«

Santa Barbara Beach (Foto: © MamaOT, (CC BY 2.0) via Flickr.com)

»Mit meinem flugs gekauften Kindersurfbrett, auf dessen Oberfläche ein Muster mit lauter kleinen süßen Fischchen war, war ich zwischen all den richtigen Surfern allerdings etwas deplatziert. (…) Ich kam mir selbst wie ein 8-Jähriger vor, ließ mir aber nichts anmerken und stürzte mich tapfer in die Wellen. Schließlich ging es nach Los Angeles weiter, von dort aus wollten Julia und Michael nach Deutschland zurückfliegen.«

Auch dieser Streckenabschnitt sollte sich später im Roman wiederfinden, bevor die Vatersuche im Buch schließlich in der mexikanischen Grenzstadt Tijuana endet. 

Wer länger in Santa Barbara weilt, dem sei Der blaue Hammer von Ross Macdonald empfohlen: 1975 wird der Privatdetektiv Lew Archer aus Los Angeles hierher gerufen (im Roman »Santa Teresa«), um einen Kunstraub aufzuklären. Der Sommerurlaubsort entpuppt sich als Schlangennest, die Abgründe der amerikanischen Gesellschaft tun sich auf.

Los Angeles

Foto: © Sam Gao (CC BY-NC-SA 2.0) via Flickr.com

»Los Angeles, die Große Orange, lauter Schnitze um ein Nichts.« So beginnt Hugo Loetschers melancholische Satire Herbst in der Großen Orange. Sie umkreist das Thema ›Herbst‹ vielfach: die Jahreszeit in einer Landschaft zwischen Wüste und Ozean, in der es eigentlich keinen Herbst gibt; den Lebensherbst der Hauptfigur; den Herbst schließlich einer Zivilisation.

Loetscher spielt mit seinem ersten Satz auch auf das Fehlen eines klar erkennbaren Zentrums an. Die Region Los Angeles ist sehr zersiedelt und eine der heterogensten Städte der Welt.

Mindestens so vielfältig sind die Bücher, die hier spielen. Ein Muss für jeden Noir-Liebhaber sind die Romane von Raymond Chandler wie Der lange Abschied oder Der große Schlaf. Sein melancholischer Privatdetektiv Philip Marlowe nimmt Sie mit ins L.A. der 50er Jahre.

Auch die Bücher von Charles Bukowski (1920–1994) spielen hier. Im Jahr 1923 zog seine Familie aus dem deutschen Andernach nach Los Angeles,  in die Geburtsstadt des Vaters. Die Adressen wechselten oft, doch hier hat Bukowski fast sein ganzes Leben verbracht (vgl. Karte), bevor er im Alter von 73 Jahren im Stadtteil San Pedro verstarb.

Wie Chandler in Illinois geboren, zog auch Ray Bradbury (1920–2012) als Jugendlicher mit seiner Familie in die »Stadt der Engel«. Sein Schreibtalent wurde schon in der Schulzeit erkannt, 1937 trat der spätere Verfasser von Fahrenheit 451 in die »Los Angeles Science Fiction League« und den »Poetry Club« ein. Seine Grabstelle auf dem Westwood Village Memorial Park Cemetery in Los Angeles hat er selber ausgesucht, schon vor seinem Ableben war sie mit einem Stein gekennzeichnet. Auf dem selben Friedhof begraben ist auch Truman Capote.

Ernste Töne schlägt T.C. Boyle in seinem Roman América an, der rund um den Topanga Canyon in den Santa Monica Mountains spielt. Er thematisiert die Ausländerfeindlichkeit und die Ängste der gehobenen Mittelschicht gegenüber illegalen Einwanderern. Gerade im Süden von Kalifornien leben viele mexikanische und kubanische Immigranten, die ihrem Heimatland den Rücken gekehrt haben.

Der Topanga Canyon (Foto: © Rneches (Rneches) [CC BY 2.5], via Wikimedia Commons)

Während 10 Tagen in L.A. spielt Nachwelt von Marlene Streeruwitz. Eine verunsicherte Wiener Journalistin und Dramaturgin fliegt nach Los Angeles, um für eine Biografie über Anna Mahler Material zu sammeln, und wird auf sich selber zurückgeworfen.

Literarisches Strandhopping

Eine wunderbare Annehmlichkeit in Los Angeles sind die kilometerlangen Strände:

Besuchen Sie Malibu (hier wurde die Fernsehserie Baywatch gedreht) mit dem gleichnamigen Roman von Leon de Winter in der Strandtasche. Auch sein Buch Der Himmel von Hollywood spielt in  L.A.

Malibu Beach (Foto:© tensaibuta, (CC BY 2.0) via Flickr.com)

In Venice Beach wiederum setzt der Roman Pink Hotel von Anna Stothard ein: Eine 17-jährige Londonerin begibt sich hier auf eine Reise in die Vergangenheit. Wer war ihre Mutter, wie aufregend war das Leben, das sie in dieser Stadt geführt hat?

Mit der in Hollywood ansässigen Film- und Fernsehindustrie ist Los Angeles natürlich auch  Schauplatz vieler Filme und Verfilmungen. Beispielsweise L. A. Confidential, der auf James Ellroys komplexem Roman Stadt der Teufel basiert. Besichtigen darf man das berühmte Lovell House von Architekt Richard Neutra, das auch im Film Beginners mit Ewan McGregor als Set diente, leider nicht.

Fahren Sie stattdessen von David Lynch inspiriert den Mulholland Drive entlang und genießen Sie den spektakulären Blick auf Los Angeles.

Weiter südwärts

Auch Astrid Rosenfeld durchquerte die ganzen USA: Zusammen mit dem befreundeten Fotografen Johannes Paul Spengler fuhr sie mit dem Auto von der Ost- bis zur Westküste (vgl. Karte). Ihr Notizbuch und seine Fotokamera im Anschlag. In dem daraus entstandenen Buch Sing mir ein Lied verbinden sich  Bilder, Landschaften, Menschen, Erlebtes und Erfundenes zu einem Liebeslied aufs Unterwegssein, auf das Glück der Begegnung und das Leben vor dem Tod.

Foto: Tuxyso / Wikimedia Commons, via Wikimedia Commons

Im Januar 2013 besuchten sie den Salton Sea, ein Tagestrip von San Diego entfernt, und strandeten in der Siedlung Bombay Beach. »Mehr Ruinen als intakte Häuser säumen die Straßen. Etwa 350 Menschen wohnen heute im Ort. Wendell ist einer von ihnen. Ihm gehört das Ski Inn. Eine Kneipe, die wie ihr Besitzer auch Bombay Beachs glorreiche Zeiten erleben durfte.« Die Kneipe wird für zwei Tage Astrid Rosenfelds und Johannes Paul Spenglers Zuhause auf ihrer unermüdlichen Suche nach Geschichten.

Und viele Geschichten von ihrer Reise nehmen nun hoffentlich auch Sie mit – seien es selbst erlebte oder gelesene.